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JemenArabia Felix

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5. März 2009 - 27. März 2009
Reisetag Nr. 1019 - 1041

In fünf Stichworten

Sana’a

Nach dem kurzen Ausflug in die Heimat, einem Wiedersehen mit Freunden und Familie, und der Luzerner Fasnacht natürlich, flogen wir nach Jemen. Etwas später als geplant, aber das ist ja nichts Neues … ;-)

Nachdem auch unser Velo (direkt aus Singapur) unversehrt in Sana’a eingetroffen war, konnten wir mit dem Planen unserer Weiterreise beginnen. Denn, ungeplant losfahren, das kann man in Jemen leider nicht. Für praktisch jeden Ausflug und jede Strecke braucht man eine Bewilligung, die man sich auf der Touristenpolizei erbetteln muss. Das ist für eine vorgefertigte geführte Tour per Landcruiser recht einfach, für eine Velotour an die omanische Grenze doch eher kompliziert. Die Strecke, die wir eigentlich gerne gefahren wären, war geschlossen und auch die Alternativstrecken waren zu. Kurz, die einzige Möglichkeit nach Osten zu reisen, war das Flugzeug. Nicht mal per Bus oder Taxi konnte man als Tourist durchreisen. Ha, jetzt wo wir das Radel mühevoll nach Sana’a dirigiert hatten? Es sah so aus, als ob unser Tandem sein Dasein noch eine Weile in der Box fristen müsste. Vielleicht liessen sich die Qat kauenden Polizisten, die ihr Büro gemütlich auf dem Boden aufgeschlagen hatten doch noch umstimmen?

Der Westen des Landes per Landcruiser

Vorderhand machten wir mal eine Tour durch den Westen des Landes. Schön „all inclusive“ mit Fahrer, fettem Landcruiser, Hotelübernachtung etc. Als wir so locker im dritten Gang die Steigungen hoch kurvten, waren wir nicht mal so unglücklich über unsere Entscheidung, dieses Gebiet per Auto und nicht untrainiert mit dem Radel zu erleben ;-) Wir klapperten diverse Sehenswürdigkeiten ab, tausendjährige Moscheen, kleine Ortschaften mit dicken Stadtmauern, Orte mit x-tausendjähriger Geschichte, Festungen auf Berghügeln, … Jemen ist ein Land, das viel zu erzählen hat. Aber für uns waren hier nicht nur die alten Gebäude so faszinierend, sondern die Menschen, die in Städten, Dörfern oder im Nirgendwo wohnten und uns immer wieder aufs Herzlichste willkommen hiessen. Nie hatte man das Gefühl, man sei ein Eindringling. Die Männer und Frauen freuten sich, dass immerhin ein paar Touristen aus aller Welt sie besuchen kommen, und waren stolz, ihr Land und ihre Kultur zu präsentieren.

Und was sich uns präsentierte! Ein bunter Mix aus Orient, Nomadentum, Islam. Wir wünschen jedem, dass er einmal die Gelegenheit erhält, zum Beispiel den Freitagsmarkt von Bait al Fakki zu erleben. Nach zwei Stunden in diesem Wirrwarr aus Menschen, Tieren und Waren, Gerüchen, Geschmäckern und Geräuschen ist man um so viele Eindrücke reicher, die sich gar nicht in Worte fassen lassen. Man ist erschöpft und durchgeschwitzt, aber glücklich und zufrieden. Hier gibt es einfach alles, was man sich vorstellen kann. Vom Kamel über Ziegen und Fische (alles noch lebend oder bereits geschlachtet oder ein bisschen zwischendrin) über Gewürze, Gemüse, Sandalen, Seife und Bindestricke bis zum Tee und ungeröstetem Kaffee. Die Leute decken sich mit ihrer Wochen- oder Monatsration ein und am Schluss ziehen sie los und fahren wieder in alle Richtungen hinaus in die Wüste. Ein unglaubliches Spektakel, das zu beschreiben unsere literarisches Geschick etwas übersteigt, aber das man vielleicht annähernd auf den Fotos nachvollziehen kann.

Leider konnte man, im Gegensatz zu Syrien und Jordanien, in Jemen als „Ungläubiger“ keine Moscheen besuchen. Mit einem freundlichen Lächeln (und der Aussicht auf ein Bakschisch) liess man uns doch in den einen oder anderen Tempel rein, allerdings nie in den Gebetsraum. Im Vergleich zu anderen Ländern waren die Moscheen Jemens durchwegs sehr schlicht, ja, ärmlich. Dafür konnten sie einiges über die Geschichte des Islam erzählen, wurde doch die erste Moschee des Landes im Jahre zehn nach Islamischem Kalender gebaut (und steht heute noch!). Jemen gehörte wahrlich einmal zur Wiege der Zivilisation, mit führenden Medressen (Koranschulen) und Universitäten und blühenden Städten. Das ist aber wirklich eine ganze Weile her und davon ist nicht mehr viel zu spühren. Die Moscheen zeigen auch den Einfluss verschiedener Kulturen und Religionen im Land. Wer hätte zum Beispiel gedacht, dass auf vielen Minaretten der Stern Davids prangt? Viele islamische Gotteshäuser wurden von Juden gebaut und während man uns versichert, wie stolz man über die Handwerkskünste der Juden ist, und wie tolerant man ist gegenüber anderen Religionen, zeigt die Anzahl andersgläubiger Einwohner eher das Gegenteil auf. An den Moscheen kann man auch einen anderen eher traurigen Trend erkennen. In Zabid zum Beispiel, wo früher von fast hundert Moscheen immerhin deren zehn für Frauen reserviert waren (gemischte gab es schon gar nicht), sind heute für Frauen alle tabu. Frau soll zuhause beten (und bleiben). Und weil sich das soziale Leben der Frauen sowieso hinter den Mauern des eigenen Hauses abzuspielen hat, braucht man die Mädchen ja auch nicht in die Schule zu schicken. Zeitungskommentare über dieses Thema waren teilweise haarsträubend! Aber – immerhin – es wird darüber berichtet, und das ist ja schon mal ein Anfang.

Unser Fahrer Abdulrahman war noch nicht mal zwanzig Jahre alt, deshalb erfuhren wir nicht nur einiges über das Land und dessen Geschichte, sondern auch über das Leben der jungen Generation und deren Geschichten. Wie so üblich decken sich Klischee und Realität nicht immer und – zumindest in der Stadt – funktioniert nicht immer alles ganz genau nach Mohammeds Regeln. Es gibt also auch liberalere Einstellungen zu den Traditionen des Landes und des Islam – auch wenn diese häufig bloss hinter verschlossenen Türen und im Versteckten ausgelebt werden können.

Terroranschläge in Say’un

Nach unserem Trip hätten wir eigentlich nach Say‘un im Wadi Hadramwat im Osten des Landes fliegen wollen (wie erwähnt, die Strassen dorthin waren für Touristen gesperrt). Leider erfuhren wir aber just, als wir unsere Bewilligung beantragen wollten (und das Flugticket bereits im Sack hatten), dass sich in Shibam, unserer geplanten Destination, ein Selbstmordattentat ereignet hatte, bei dem sechs Menschen, darunter vier Touristen ums Leben kamen. Zwar versicherte uns die Touristenpolizei, dass kein Grund bestehe, dieses Gebiet nicht zu besuchen, aber auf ihr „insh’allah (so Gott will) wird nichts passieren“ wollten wir uns doch nicht verlassen. Zudem rieten uns auch die Einheimischen davon ab, dorthin zu reisen, solange die Lage noch nicht klar sei, und liessen sich gleich noch ein bisschen über die Touristenpolizei aus. Und selbst wenn wir an unseren ursprünglichen Plänen festgehalten hätten, wäre es wohl nur bedingt lustig gewesen, hinter einem Sicherheits-Armeejeep im Konvoi herzustrampeln. Und ob wir dann wirklich nicht an einem der zahlreichen Kontrollposten hängengeblieben wären, wagen wir mal zu bezweifeln.

Als sich dann in der Hauptstadt Sana’a drei Tage später erneut ein Selbstmordattentat ereignete, wurde für uns klar, dass wir auf direktem Weg nach Oman weiterreisen würden. Irgendwas war hier faul. Und wer schlussendlich dahintersteckt, wusste man auch (noch) nicht. Es kursierten jedenfalls verschiedene Gerüchte – und nicht alle davon involvierten Al-Qaida. Wie auch immer, wir entschlossen uns, noch ein paar Tage in Sana’a zu verbringen und dann schweren Herzens einen grossen Teil Jemens zu überspringen. Und da wir nun schon die Unannehmlichkeiten eines Fluges auf uns nehmen mussten, konnten wir geradeso gut auch bis zur Grenze fliegen.

Es ist natürlich wirklich sehr schade, dass wir den Osten des Landes nicht bereisen konnten und doppelt schade, dass wir in Jemen unser Tandem bloss auf den letzten paar Kilometern aus dem Sack liessen. Was ist unser „Schicksal“ jedoch im Vergleich zum Schicksal der getöteten Touristen. Aber nicht nur die direkt Betroffenen leiden unter dieser neuen Welle des Terrors, sondern das ganze Land, all diese gutherzigen Menschen, die wir kennenlernen durften und die über diese Terrorakte noch empörter, trauriger und wütender sind als wir, die wir diesem Land so einfach den Rücken kehren können.

Wir können gar nicht genügend betonen wie warmherzig und friedlich die Jemeniten sind und wir hoffen, dass man sich vor Augen hält, dass die Bevölkerung dieses Landes weit mehr unter dem Terrorismus leidet als irgendwer sonst, Terror, verübt von einzelnen fehlgeleiteten Individuen. Vermutlich nicht mal von Einheimischen. Es braucht hundert Menschen um ein Haus zu errichten, aber ein Einzelner reicht, um es zum Einsturz zu bringen. Klar könnte man sich nun in Schuldzuweisungen ergehen, zu viele Kalaschnikows im Land, zu korrupte (Polizei-)Beamte, zu unzugängliche Gebiete, zu viele wilde Clans, zu wenig (befolgte und durchgesetzte) Gesetze – aber wie so vielerorts in der Welt ist es kompliziert und auch nicht so einfach, alte Fehler auszubügeln.

Waren wir früher schockiert über solche Attentate, sind wir nun betroffen. Nicht im eigentlichen Sinn, aber dennoch direkter als auch schon. Nicht, dass wir nun Angst hätten, uns frei zu bewegen oder gar selbst Ziel eines Anschlages zu werden – viel mehr weil wir uns verbunden fühlen mit den Menschen, die hier leben. Was ist der höhere Sinn einer solchen Aktion? Was bringt junge Männer dazu, sich einen Sprengstoffgürtel anzuschnallen und ihr Leben zu opfern, um andere mit sich in den Tod zu reissen, als Märtyrer zu sterben? Religiöser Eifer? Wohl eher die Machtbesessenheit der Drahtzieher, die diese Jungen dazu manipulieren, ihre Leben aufzugeben – wofür? Welche Interessen werden da von wem verfolgt? Es will uns nicht gelingen, das zu verstehen. Ganz einfach darum, weil es unverständlich ist.

Die Welt könnte so herrlich sein – und sie ist es zweifellos auch, das hat unsere Reise durch Jemen, Arabia Felix, das glückliche Arabien gezeigt. Schauen wir nach vorn, erfreuen uns an den Schönheiten des Lebens, die wir tagtäglich erfahren dürfen, aber vergessen wir nicht das Leid, welches manchmal bloss durch einen schmalen Grat von Freud getrennt ist. Deshalb widmen wir diesen Bericht all jenen Reisenden, die nicht zurückkehrten.

Qat – Lebenselixier der Jemeniten

Themenwechsel. Wenn man hierzulande auffallend viele Herren mit einer dicken Backe sieht, liegt das nicht an einer Mumps-Epidemie oder an entzündeten Weisheitszähnen. Nein, die Männer (und teilweise auch die Frauen, aber das sieht man hinter dem Tschador ja nicht) kauen Qat, Blätter mit leicht berauschender Wirkung. Qat gehört hier genauso zum Leben wie die täglichen fünf Gebete. Man bekommt manchmal fast das Gefühl, das Leben drehe sich überhaupt nur um die bitteren Blätter des Katstrauches, die stundenlang gekaut und in der Hamsterbacke zwischengespeichert werden. Ursprünglich aus Äthiopien importiert wird heute in Jemen weit mehr Qat angebaut als Kaffee oder sonst eine Pflanze. Und dazu werden geschätzte fünfundfünfzig Prozent des gesamten Wasserverbrauchs verschwendet! Unvorstellbar, vor allem wenn man bedenkt, dass weite Teile des Landes den grössten Teil des Jahres knochentrocken sind und damit gerechnet wird, dass Sana’a bald einmal die erste Grossstadt der Welt sein wird, der das Wasser ausgeht.

Qat kauende Händler am Markt, Qat kauende Taxifahrer, Qat kauende Polizisten, Qat kauende Teeburschen. Jeder kaut und spukt und sieht zuweilen richtig entstellt aus mit der Riesenbacke. Ob die Geburtenrate wegen des Qats so hoch ist? Denn natürlich wird dem Kraut (neben einer Vielzahl anderer Vorzüge) auch potenzsteigernde Wirkung angedichtet. Einer der höchsten Geburtenraten der Welt verdankt das Land eine unglaubliche Bevölkerungsexplosion von einer Verzehnfachung der Bevölkerung innerhalb der letzten dreissig Jahre!

Zu Besuch bei Mohammed

Wie er richtig sagte, Mohammed heisst hier ja jeder, aber nicht alle luden uns von der Strasse weg zu sich nach Hause ein (normalerweise nur zum Tee im Shop). Pünktlich um halb acht holte er uns vom Hotel ab, denn Strassennamen, geschweige denn Hausnummern gibt es nicht in Old Sana’a. Mohammeds Haus lag nicht weit vom Hotel entfernt, sodass wir es vielleicht auch selber gefunden hätten. Einfach bei der Moschee, gleich nach dem Barbier rechts und dann zweimal links die Gasse entlang vis-à-vis des Baumes mit dem grossen Klopfer an die Türe schlagen. Klingeln gibt es hier nirgends – man muss nur kräftig die Metallplatte gegen den eingeschlagenen Nagel hämmern. Und wenn das nicht hilft, rufen, so laut man kann.

Durch die viel zu kleine Holztür gelangten wir in den kleinen Vorhof und von dort aus durch eine weitere ähnliche Tür mit einem Schliessmechanismus aus dem Mittelalter. Nach einer weiteren Klopfsalve kann man von innen, von der Küche im vierten Stock, an einem Seilzug ziehen, um den schweren Holzriegel zu betätigen. Bewährte Technik, die auch während der täglichen Stromunterbrüche funktioniert. Interessanterweise kann man diese Türen eigentlich nur von innen ver- und entriegeln und ferngesteuert von der Küche aus. Das sagt doch bereits einiges über das Leben der (Haus-)Frau in Jemen.

Dann ging es hinauf durch eine enge steinerne Wendeltreppe mit unglaublich hohen Stufen von der in loser Abfolge mal rechts mal links Räume und Gänge abgingen, auf und zwischen den Stockwerken. Schlaf- und Wohnzimmer liegen auf den unteren Stockwerken, dann folgt die Küche und zuoberst, der wichtigste Raum mit der besten Aussicht welcher ganz dem Qat kauen gewidmet ist. So weit nach oben hatten wir es allerdings nicht geschafft, denn Mohammed brachte uns in sein Wohnzimmer, gemütlich eingerichtet mit Sitzkissen und Kaffeetischchen. Während uns seine Frau unsichtbar von der Küche aus mit leckerem Shai versorgte, plauderten wir mit dem Dr. der Agrikultur, der an der Universität von Sana’a unterrichtet. Er sprach sehr gut Englisch, hat mehrere Jahre in der ehemaligen Tschechoslowakei und in den USA gelebt. Jetzt machte er einen einigermassen resignierten Eindruck, er liess öfters durchblicken, dass er eigentlich lieber in Europa geblieben wäre und nur wegen der Familie zurückkam. Und selbst über die Universität in Jemen hatte er nicht viel Löbliches parat. Es ist wohl wirklich nicht einfach, hier etwas zu bewirken und zu erreichen, das haben wir auch im Gespräch mit anderen herausgefunden.

Der Suq von Sana‘a – Wirrwarr aus Gassen und Waren

Geweckt vom Morgengebet, das (hierzulande eher unmelodiös) von den vielen Minaretten der Stadt hallt, machten wir uns nach dem Frühstück tagtäglich auf, die Stadt zu erkunden. Jeden Tag streunten wir durch Gassen, die wir zuvor noch nicht gesehen hatten und staunten über die herrlichen Turmhäuser. Geschätzte vierzehntausend Gebäude bilden die perfekte Kulisse dieser orientalischen Perle und es lässt sich gar nicht beschreiben, wie man sich fühlt, durch die Vergangenheit zu wandern. Doch nicht nur Häuser und Gassen hatten es uns angetan, es waren die Atmosphäre, die Geräusche, die Menschen, ja sogar die uralten hupenden Schrottkarren, die der Stadt ihr ganz eigenes Leben einhauchten.

Wir schlenderten vorbei an einer Bäckerei, bloss einem Torbogen in der Fassade eines alten Hauses in dessen Innern der Bäcker unablässig frisch duftende Brote aus dem Lehmofen holte. Vorbei an kleinen Ständen, oftmals nicht mehr als eine kleine Nische in der Hauswand, und die alles anboten, was man sich vorstellen konnte. Rechts ein Trinkbrunnen mit dem Gemeinschaftsbecher an der Kette links der Eingang zur Sesamölpresse, in deren dunklen Innern die Kamele ihre Runden um die schweren Mahlräder drehten. Durch halb offene Tore einen Blick in den Innenhof der Moschee erhaschen und in einer alten Karawanserei inmitten von diskutierenden Männern einen süssen Shai trinken. Mit riesigen Sesam-Fladenbroten Salta (Eintopf aus Gemüse und Fleisch) aus dem heissen Steintopf „löffeln“. Den Geruch von Weihrauch und Myrrhe einatmen und dem Klopfen und Hämmern aus den verzweigten Winkeln des Suqs lauschen. Es herrschte ein Gewirr von Menschen, Frauen in Abeyyas und mit Tschador verhüllt, Männer im Dishdasha und Jackett, mit Turban und mit einem Jembia (Krummdolch) im Gürtel. Dazwischen wir, zwei Touristen, die alles um uns herum wie trocken Schwämme absorbierten. Überall wurden wir herzlich empfangen und die Männer plauderten mit uns, so gut es eben ging. Wir hätten wohl noch wochenlang hier bleiben können und uns wäre nicht langweilig geworden.

Sana’a - Al Ghayda : Flug in den Osten

Bereits nach drei Uhr morgens schleppten wir unsere Taschen nach unten und dort erwarteten uns die Fahrer, welche angesichts der unmenschlich frühen Morgenstunde der Einfachheit halber gleich hier übernachtet hatten. Folglich war der Göppel schnell verladen, der Abschied von den herzlichen Angestellten des Hotels aber dauerte dann doch noch eine Weile. Wir gingen wirklich nicht gerne von hier weg, erlebten wir doch eine kurze, intensive und wunderbare Zeit in Sana’a, umgeben von unglaublich herzensguten Menschen.

Der Flug verlief ereignislos, nachdem das Tandem gerade just im kleinen Jet Platz hatte. In Al Ghayda liessen wir uns von einem Taxi in die Stadt und direkt zu einem Hotel chauffieren. Der Raum im Plaza war kühl und gross und das Bett auch, sodass wir uns um halb zehn morgens erst mal eine Runde aufs Ohr hauten. Am nächsten Tag war unser Tandem, das die letzten gut anderthalb Jahre sein Dasein in irgendwelchen Kammern, Ecken oder Kisten fristete, wieder zusammengeschraubt und wir waren reisefertig.

Al Ghayda – Hawf : Der Küste entlang nach Oman

Ein seltsames Gefühl war es doch, nach dieser langen Zeit zum ersten Mal wieder morgens alles Material vom Hotelzimmer runterzuschleppen und das Tandem und den Anhänger unter den interessierten Augen etlicher Schaulustiger zu beladen und die ersten wackeligen Geh- respektive Radelversuche zu unternehmen. Er fühlte sich mächtig schwer an, unser Anhängerzug, aber fehlerfrei kurvten wir aus der Stadt hinaus. Die Polizei eskortierte uns mit Blaulicht etwa zehn Kilometer bis zur Landstrasse und hielt uns die Kreuzungen und den Rücken frei. Das nennt man Service!

Die Strecke war zwar flach aber der Wind blies von schräg vorn, was uns ein wenig ausbremste. Besonders weit kamen wir nicht an unserem ersten Radeltag, denn wir merkten deutlich, dass unser Organismus noch nicht so recht auf erhöhte kontinuierliche Energieabgabe eingestellt war. So wurde dann aus der Mittagsrast gleich unser Übernachtungsplatz. Und weil wir so schön früh dran waren, machten wir uns nach der Siesta ans Fladenbrot backen unter Palmen. Mehl, etwas Wasser und Öl und die Fladen in der Bratpfanne backen. Etwas knusprig, aber lecker!

Die letzten Tage in Jemen genossen wir das Radeln, schwitzten uns (im Slalom) über zwanzig prozentige Steigungen hoch, übernachteten an wunderschönen Plätzen und übten ein paar neue Radlermenus ein. Tagsüber fuhren wir durch kleine Fischerdörfer und blieben immer wieder eine ganze Weile hängen, um mit den freundlichen Leuten zu plaudern. Wir stoppten so häufig, dass wir kilometermässig im unteren Bereich der Skala waren. Das machte allerdings nichts, denn überstrapazieren wollten wir unsere wohlgenährten untrainierten Körper ja eh nicht.

Wir sahen hüpfende Delfine im Meer, Kamelherden in der Wüste, Mäuse verdächtig nahe an unseren Esswaren und Fische, die die Fischer direkt am Strand verkauften. Doch nicht die Tiere sind es, die uns von Jemen in Erinnerung bleiben werden, es sind die unglaublich liebenswürdigen Menschen. In wohl keinem anderen Land, das wir bis jetzt besucht hatten, fühlten wir uns so willkommen wie hier. Wirklich schade, dass wir unsere Reise durch dieses wunderbare Land mit seiner herzensguten Bevölkerung abkürzen mussten.



17.11.11 Geraldton, Australien

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