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23. Dezember 2009 - 19. März 2010
Reisetag Nr. 1312 - 1398

Stopover Bangkok

So einfach ist es nicht, wenn man sich in allerletzter Minute für eine Feriendestination in Südostasien entscheidet, just um die Weihnachtszeit, wenn halb Europa dem deprimierenden Winterwetter und dem allgegenwärtigen „Jingle Bells“ zu entfliehen versucht. So einfach, einen preisgünstigen Flug zu finden, meinen wir. Aber wenn man etwas Zeit hat, kann man ja einen mehrtägigen Stopover in Bangkok einbauen. Das gibt einem erst noch die Gelegenheit, sich etwas ans Klima zu gewöhnen.

Das „Land des Lächelns“ empfing uns in Form eines äusserst mürrischen Taxifahrers, welcher uns für die Fahrt vom Flughafen in die Metropolis zugeteilt wurde (unser Tandem liessen wir für die paar Tage am Flughafen zurück). So hatten wir uns das aber nicht vorgestellt, liessen den Griesgram stehen und suchten uns einen netteren Chauffeur mit breitem Grinsen aus. Der unfreundliche Typ musste sich dann wieder zuhinterst in die lange Schlange einreihen, fluchte ein wenig vor sich hin und, wenn Blicke töten könnten, aus unserem Stopover wäre „Endstation“ Bangkok geworden ...

Von da an aber alles fröhlich. Es war schliesslich Weihnachtszeit, die grossen Shopping-Malls mit künstlichen Christbäumen bepflanzt, die Einkaufsstrassen farbig beleuchtet und aus grossen Lautsprechern tönte, wie es sich gehört für die Tropen, „Oh Tannenbaum“, welches zeitweise von „We can get no satisfaction“ aus einem der Bierzelte übertönt wurde. Bangkok leuchtete, strahlte, schallte und pulsierte, was das Zeug hielt. Wir fühlten uns extrem an Singapur erinnert – und natürlich kam etwas Heimweh auf. Den Weihnachtsabend verbrachten wir mit Petra und Remko aus Holland, welche wir bereits in Iran und dann wieder in Nepal getroffen hatten. Gut thailändisch (!) essen und dann gut christlich in die Mitternachtsmesse. Hierzulande wird zu Jesus' Geburtstag grad ein bisschen auf Party gemacht! Michael Jackson-Songs singender Priester, E-Gitarre während der Kommunion und Jamsession nach der Andacht. Funky Xmas everyone!

Flug ins Paradies

Warum sind es denn eigentlich immer die mausarmen Drittweltländer, die bei der Einreise so ein Trara machen, wenn man kein Rückflug-Ticket hat? Also ob man sich dort für immer und ewig breitmachen möchte. Und wenn schon, sollen sie doch froh sein, wenn so stinkreiche Europäer mit fetten Schweizer Bankkonti hier im Paradies ihr Lager aufschlagen und mit Geld nur so um sich schmeissen ;-) Nachdem wir bei der Einreise nach Madagaskar (Pro-Kopf-Einkommen: weltweiter Rang zweihundertneun) und Jemen (Rang hundertvierundsiebzig) bereits Ähnliches erlebt hatten, wollte uns auch hier der nette Herr Check-In-Beamte partout nicht mitnehmen, da wir kein Rückflugticket hatten. Auf dem Landweg kannst du daherkommen wie der letzte Bettler, das ist schon seltsam. Naja, zum Glück ist es ja heutzutage ein Klacks, sich im Internet einen Flug zu buchen. Gesagt, getan. Und nachdem der nette Herr Abfertigungs-Beamte auch noch davon überzeugt war, dass unser Tandem eigentlich gar nicht so gross und gar nicht so schwer und erst noch prima verpackt war (und wir eine Verzichtserklärung unterschrieben hatten, welche es der Fluggesellschaft, respektive den zarten Händen des Bodenpersonals erlaubte, unser Gefährt rücksichtslos und unsensibel umherzuschmeissen, ohne, dass wir danach irgendwelchen kaputten Teilen nachtrauern hätten dürfen), durften wir mit. Kurz nach Mitternacht noch schnell einen Hamburger verdrücken und dann per Billig-Airline ohne Bordservice ab ins Paradies.

Cebu Island

Zu weihnachtlichen Klängen und unter den interessierten Blicken der viel beschäftigten Flughafenangestellten war der Karren schnell zusammengemöbelt – es war noch alles heil. Dann wagten wir uns in die Hitze. Patrizia das erste Mal, seit wir vor knapp zehn Monaten wiedergestartet waren, im Trägershirt und kurzen Hosen. Herrlich! Das Radeln war ganz angenehm so ohne lästige Verkleidung und vor allem auch – ein Novum für uns – ohne Anhänger. Den hatten wir zusammen mit einer Ladung Winterklamotten nach Singapur geschickt. In Südostasien, sagten wir uns, brauchen wir nur Badehose, Bikini und Schnorchel. Für einmal waren wir also als echtes Zweirad unterwegs! Nicht, dass es jetzt ganz von alleine ging. Irgendwie schienen wir es geschafft zu haben, fast das ganze Gewicht vom Anhänger in die restlichen Packtaschen zu verteilen. Bei der ersten Steigung orteten wir noch etwas Optimierungspotenzial diesbezüglich. Acht Bücher fürs Faulenzen am Strand – vielleicht hätten wir uns in Bangkok doch besser nach einem eBook-Reader umgesehen ... Nach einer ziemlich langen literarischen Durststrecke im Nahen Osten, Zentralasien und China (der kryptischen Alphabete und seltsamen Schnörkel wegen, aber auch einfach, weil man oft gar keine Bücher fand – es könnte sich ja um Konterbande mit blasphemischem oder regimekritischem Inhalt handeln) lechzten wir nach Lesestoff und deckten uns in Nepal, dem Land der Raubkopien, mit dicken Schmökern ein. Unverfängliche Krimis, blutige Morde, Leichen ganz ohne historischen Hintergrund, Genozid, Sicherheitspolizei und staatlichen Terror.

Von Cebu aus hielten wir nordwärts und es herrschte noch recht viel Betrieb auf der Hauptstrasse. Allerdings waren Autos, Busse und Motorräder in gemächlichem Tempo unterwegs. Hier ticken nicht bloss die Uhren etwas langsamer – und das war äusserst angenehm. So wie die Fahrzeuge teilweise beladen waren, konnte man natürlich nicht in vollem Caracho durch die Strassen jagen. Das war den Bussen vorbehalten. Auf den Töffs (eher Kategorie Moped) sassen nämlich ganze Familien (die dank katholischer Familienplanung nicht eben klein waren). In die Trici, Motorräder (Kategorie Moped - „Honda Dream“ für Eingeweihte) mit Seitenwagen drängten sich zuweilen ganze Schulklassen. Diese Trici sahen je nach Insel oder Ortschaft ganz verschieden aus, haben sich also evolutionsmässig optimal an die jeweiligen Bedingungen (Strassenzustand, jährliche Niederschlagsmenge et cetera) angepasst. Was aber überall im Land in einheitlicher Manier zum Strassenbild gehörte, waren die berühmten Jeepneys. Wie der Name vermuten lässt, ein überdimensionaler Jeep. Gross, bullig, einfache altbewährte Mechanik, Benzin schluckende Motoren – ein Erbe der ehemaligen Befreiungsmacht und ganz so, wie die Amerikaner auch heute noch ihre Autos bauen. Aber mit philippinischem Touch: lange Bänke im Open-Air-Fahrgastraum für geselliges Beisammensein, grosser Dachträger für Waren aller Art, Tiere jeglicher Gattung und natürlich für alle Leute, die unten keinen Platz mehr haben. Das Ganze in fröhlichen Farben bepinselt – vornehmlich mit Bibelszenen – und mit riesigem Kuhfänger, Zusatzrückspiegeln (nur zur Zier, denn was hinter einem abgeht, interessiert nicht die Bohne), ganzen Batterien von Scheinwerfern und Dreiklanghorn aufgemotzt. „How is my driving?“ („Wie ist mein Fahrstil?“) – dieser Schriftzug (inklusive Telefonnummer) fehlte auf kaum einem kommerziellen Fahrzeug. Wollt ihr wirklich unsere Meinung hören? ...

Obwohl nur noch zwei Tage bis Neujahr fehlten, wünschte man uns im Vorbeifahren noch immer überall „fröhliche Weihnachten“. Die Filipinos sind ja verrückt danach und schmücken ihre Bäume bereits im ersten „er“-Monat, sprich SeptembER. Unglaublich, wie viele Krippen wir am Strassenrand sahen. Lebensgrosse Strohpuppen mit Kokosnuss-Köpfen oder farbig-freakig aus Plastik oder in gediegenes Holz geschnitzt. Sterne, Tannenbäume und sogar Schneemänner säumten die Strassen, reichlich crazy, unter Palmen und bei über dreissig Grad im Schatten.

Malapascua

„Schlechte Ostern“, dies der wörtlich übersetzte Name der Insel, die wir als Erstes ansteuerten. Silvester auch nicht viel besser, denn auf der Überfahrt im Auslegerboot (Holzboot, bei welchem der Rumpf durch lange Bambusrohre auf beiden Seiten vom Kentern bewahrt wird – sieht ein bisschen aus, wie eine Wasserspinne) wurden wir bereits das erste Mal so richtig geduscht, als wir durch die Gischt pflügten. Der Himmel pendelte zwischen bedeckt und regnerisch. Aber wir wollten ja vor allem Tauchen hier und Unterwasser wird man bekannterweise eh nass. Endlich konnten wir unsere neuen Taucherbrillen und die neue Unterwasserkamera ausprobieren, die wir uns in Bangkok zu Weihnachten geschenkt hatten.

Dass sich das Wetter doch noch zum Besseren wandte, freute uns dann aber doch. Es ist eben schon schöner, wenn im Paradies die Sonne scheint, sich das türkisblaue Meer in den Horizont hinein erstreckt, und wenn man sich im Schatten der Palmen auf dem weissen Sandstrand von zarten polynesischen Händen massieren lassen kann. ...

Bantayan

Per Ruderboot, Auslegerboot, Velo und Fähre transferierten wir auf die Insel Bantayan. Wieder ein Bungalow mit Meerblick und dazu ein paar Tage süssen Nichtstuns an einem Palmenstrand. Per Radel umkurvten wir die Insel, von Verkehr keine Spur. Die Einwohner hängten vor ihren Palmhütten Kleider (schön nach Grösse sortiert), Fische und Tintenfische zum trockenen auf. Männer spielten um ein paar Pesos und vertrieben sich die Zeit, bis sie nachts wieder aus ihren kleinen Booten die Netze ins Meer warfen. Was das Radfahren esstechnisch höchst angenehm machte, waren die Bäckereien, welche im ganzen Land, selbst im kleinsten Dorf, zu finden sind. Da kann man sich herrlich gute Snacks reinziehen, wenn einem das lauwarme Essen aus den Töpfen nicht gerade anmacht. Denn, kulinarisch sind die Philippinen nicht gerade ein Highlight, abgesehen vom frischen Fisch natürlich. Das Essen in den kleinen Imbissstuben wird morgens gekocht und dann den ganzen Tag über aus grossen Töpfen serviert. So ist es mittags lauwarm und abends ziemlich abgestanden. Und meistens war es auch nicht besonders ansprechend beziehungsweise „gluschtig“ was gekocht wurde. Wie vielerorts in der Welt haben auch die Filipinos eine Vorliebe für besonders fettige, knorpelige und sehnige Fleischstücke und die Fischgerichte bestanden hauptsächlich aus Geräten. Da wurden sogar wir zeitweise zu Vegetariern. Immerhin war das Essen hier nie übermässig scharf. Eher auf der faden Seite. Statt mit Chili oder Salz wird hier mit Zucker gekocht. Süsse Spaghettisauce, süsse Salatsauce et cetera. Hauptgang und Dessert in einem. Ob all dieser Süssspeisen war einem natürlich nach was Saurem. Essiggurken gab's nicht, nur Seegurken. Dafür aber Kinilaw, ein Gericht aus rohem Fisch, mit Essig und Limettensaft getränkt und mit Zwiebeln, Chili und Ingwer gewürzt. So lecker! Einmal kauften wir uns am Markt einen Dreikilo-Tunfisch, produzierten selbstständig und fachmännisch obgenanntes Mahl und schlemmten, bis uns Kiemen wuchsen ...

Bohol

In Bohol trafen wir unsere Freundin Dalisay aus Singapur. Wir hatten uns seit einem guten Jahr nicht mehr gesehen und es war schön, wiedermal ein altbekanntes Gesicht zu sehen. Erst recht, da sie selbst aus den Philippinen stammt und uns natürlich in all die Köstlichkeiten einführte. Es gab einiges neu zu entdecken – auch wenn wir uns nicht für alles begeistern konnten (siehe oben). Nun aber genug vom Essen. Wir absolvierten zusammen das obligatorische Touristenprogramm und liessen uns zwei Tage lang ein bisschen von Veranstaltern und Führern verarschen. Aber wir waren in guter Gesellschaft – man macht das hier so. Es war interessant das Ganze mal aus einer anderen Perspektive zu betrachten, auch wenn wir uns schworen, niemals mehr wieder eine organisierte all-inclusive Tour mitzumachen. Zumindest nicht vor Erreichen des offiziellen Rentenalters. Die fröhlichen Tage mit reichlich Halohalo, einem süssen Gelee-Früchte-Bohnen-Eisraspel-Kokosmilch-Dessert, Tanduay (dem einheimischen Rum) und San Miguel waren im Nu herum, sodass wir wieder weiterzogen.

Palawan

Beim Einchecken dachten wir uns unseren Teil, als die beiden anderen Velofahrer einfach so ihre Göppel zum Abfertigungsschalter schoben, ohne auch nur das geringste daran verpackt zu haben. Wir hatten das Tandem natürlich schön in Plastikfolie eingewickelt und Pedalen und so weiter entfernt – wie es sich gehört. Wir staunten dann nicht schlecht, als die Schalterbeamten die Räder ohne mit der Wimper zu zucken akzeptierten. Da hätten wir uns einiges an Arbeit ersparen können und erst noch eine Stunde guten Schlafs gewonnen. Ab sofort machten wir das auch – und es funktionierte! So gut, dass wir etwas gar viel in der Gegend rumflogen in den Philippinen. Den Öko-Award haben wir uns hier definitiv nicht verdient ... Aber die Alternative mit den Fähren ist hier auch nicht immer ganz einfach. Da geht mal wieder ein Kahn unter und die halbe Flotte wird stillgelegt und in der Werft „gewartet“. Und – ganz simpel – ist das Fliegen günstiger, als per Schiff grosse Distanzen abzudampfen. Schöne neue Vielflieger-Miles-and-More-Welt.

Die Insel Palawan ist die westlichste der Philippinen und wird als wild und unberührt angepriesen. Da wunderte es uns dann doch, dass wir hier so ziemlich die meisten Touristen angetroffen hatten. Zwar hinkt die Infrastruktur noch etwas dem Landesdurchschnitt hinterher, aber so „off-the-beaten-track“ ist das Eiland etwa gar nicht mehr. Zusammen mit Vesna und Stefan aus Slowenien, besagten Velölern mit der Velo-Nichtverpackungs-Option, durchradelten wir den Norden. Nicht genau im gleichen Rhythmus, aber ohne was zu vereinbaren, trafen wir uns immer mal wieder unterwegs oder in einem Restaurant oder in einem Strandresort. Was für eine tolle Gesellschaft, denn mit ihnen hatten wir zwei grossartige Radel-Kumpanen gefunden. Und lernten so nebenbei allerlei über die Schlitzohrigkeit der Slowenen und ihrer ex-Jugoslawischen Nachbarn ...

Das Radeln machte uns mächtig Spass. Die Hitze war erträglich, der Verkehr meistens minimal und die Strassen ein guter Mix aus Beton und Schotter. Die mühsamen Strecken waren eigentlich nur die Baustellen. Das Asphaltband wird kontinuierlich nach Norden getrieben und der Matsch der frisch gebuddelten Narbe durch den Dschungel blieb an den Rädern kleben wie Kautschuk, wenn es mal regnete. Nach ein paar Dutzend Metern war die Schlammschicht so fest, dass sich nichts nicht mehr drehte. Dann hiess es: Velo mit blockierten Rädern über die glitschige Fahrbahn zerren. Was gar nicht mal so einfach und gar nicht mal so lustig ist. Aber meistens hatten wir Glück mit dem Wetter. Die anfängliche Regenperiode hat sich ziemlich verflüchtigt. Die Luftfeuchte blieb meistens unter hundert Prozent. Wenn auch nicht weit.

Nach dem ruhigen Port Barton mit seinem unverdorbenen Fischerdorf-Charakter war El Nido ganz im Norden die Touri-Drehscheibe schlechthin. Wie ergatterten uns für ein paar Tage einen Bungalow direkt am Strand, führten uns ein paar Bücher zu Gemüte und im Schweizer Restaurant Cervelat-Salat und Bratwurst mit gedünsteten Zwiebeln. Und ja, wir konnten nicht anders, eine all-inclusive Schnorchel-Bootstour natürlich auch ;-)

Boracay

Szenenwechsel. Kilometerlanger Strand, türkisblaues Meer, kristallklares Wasser – wir befinden uns am Vorzeigestrand der Philippinen. Dem touristischen Hot-Spot des Inselparadieses und – es ist traumhaft hier! Wie mussten sogar unseren Flug nach hinten verschieben, um noch ein paar Tage anzuhängen und unter den Palmen abzuhängen. Wir fanden ein nettes Plätzchen im etwas ruhigeren Teil der langen Sandbank, und wie wir merkten, schafften wir es noch vor dem grossen Ansturm hier rumzulümmeln, um das ruhigere Leben Boracays zu geniessen. Es hatte vor allem einheimische Besucher und das machte das Ganze äusserst angenehm. Je näher das chinesische Neujahrsfest rückte, desto mehr schwoll der Strom an Reisegruppen aus dem Reich der Mitte an, aus den Karaokestationen trällerte Mandarin Pop statt der sonst üblichen Philippino-Schnulzen. Aber die Reisegruppen quartierten sich in grossen Hotels ein von denen es an unserem Stück Strand glücklicherweise keine gab. So konnten wir unser Tagesprogramm ungestört durchziehen: Ausschlafen, Kaffee respektive Ovi auf der Terrasse, Sonnenbaden am Strand, Frisbee spielen im badewannenwarmen smaragdenen Wasser, mittags frischen Salat verspeisen. Nachmittags etwas spazieren gehen, im Schatten der Palmen lesen, Glacé schlecken, gegen Abend ein Bierchen aus der Strandbar holen und den fantastischen Sonnenuntergang geniessen. Znacht in einem der unzähligen Restaurants mit Gerichten aus aller Welt oder dann Cervelat mit Brot und Senf aus dem „Heidiland“ über die Gasse. Picknick am Strand, während im Hintergrund eine Band abrockte und die knackigen Boys und Girls ihre Körper sexy im Rhythmus bewegend Feuerkeulen schwingen. Noch Fragen?

Leben und leben lassen

Wir erlebten einige philippinische Nachbarn in unserem Zweizimmer-Mini-Hotel in Boracay. Die Pinoys teilen sich ein Doppelzimmer immer mindestens zu fünft – wer braucht in den Ferien schon mehr Luxus, als zu Hause? Deshalb ist es nicht sonderlich erstaunlich aber dennoch faszinierend, wie viel Lärm die machen können. Da steckt gerade jemand unter der Dusche, jemand sitzt vor dem in voller Lautstärke laufenden Fernseher, einer liegt auf dem Bett, jemand steht auf der Terrasse, eine ist im Gang am telefonieren und einer sitzt untern im Hof und es wird wild und in aller Lautstärke miteinander diskutiert. Kein gut schweizerisches Flüstern, kein übertriebenes Rücksichtnehmen und was das Beste ist: Es wird geschäkert und gekichert! Die Filipinos scheinen immer einen Grund zu finden, um zu lachen – es ist richtig schön, das mal mitzuerleben. Kinder wie Erwachsene reissen Witze und freuen sich am Heute, am Jetzt und an dem, was sie eben haben. Und das ist manchmal wirklich herzlich wenig. Zumindest materiell betrachtet. Aber wer braucht schon eine Eigentumswohnung mit Chromstahl-Kücheninsel und Leder-Lounge, um glücklich zu sein?

Lachen geht unverstärkt - nicht aber Karaoke! Wir wussten ja mittlerweile, wie die Filipinos darauf abfahren. Da kannst du so im Vorbeiradeln die schrägsten Töne aus dem Busch hören. Aus kleinen Hütten oder Bars am Strassenrand. Zu jeder Tages- und Nachtzeit. Wo bei uns Flipperkästen stehen, findet man hierzulande Karaokestationen. Über den Bildschirm flimmern die Texte, die gekonnt interpretiert und ohne Hemmungen mit voller Brust ins Mikro geschmettert werden. Dass es sich bei den Sängerinnen und Sängern nicht immer um Pavarotti oder Barbara Steisand-Verschnitte handelt, versteht sich von selbst. Dass dies aber weder das Publikum, noch die Sänger selbst stört, ist schon sympathisch und die Konsequenz philippinischer Tugenden wie „leben und leben lassen“, Höflichkeit und Respekt. Dass sich Karaokeabende bis zum Morgengrauen dahinzogen, etwas weniger tugendhaft. Und manchmal blieb uns gerade mal eine Stunde ruhigen Schlafs zwischen dem Verstummen der letzten Gesangsfetzen und dem Beginn des Hahnenkonzerts, das morgens um vier so richtig losging. Manchmal auch fliessender Übergang.

Hähne haben eine besondere Stellung innerhalb des philippinischen Gesellschaftssystems. Sie stehen zwischen Haustier und Familienmitglied und nicht selten kriegen sie deutlich mehr Zuneigung von ihren Besitzern ab, als deren Ehefrauen. Nun, bei Wettkämpfen bringen sie schliesslich auch mehr ein. Und da geht es weder um eine schöne laute Stimme (die ist nur zum Touristen ärgern) oder das schöne Aussehen (auch wenn es meistens echte Prachtexemplare waren – kein Wunder bei dieser Fürsorge), sondern schlicht und einfach um Kraft, Schnelligkeit und grausamen Killerinstinkt. Mit Intelligenz (Huhnus stupidus ist ja bekannt dafür) ist vermutlich unter Hähnen kein Kampf zu gewinnen ...

Abgesehen davon, und auch wenn das Waffentragen noch immer recht locker gehandhabt wird (gute alte Besatzungsmacht USA), die Filipinos sind äusserst friedliebend. Der Umgang untereinander ist sehr herzlich und jovial, kaum je hört man ein lautes Wort. Und noch nie sind wir so höflich behandelt worden wie hier. Man begegnete uns lächelnd mit „Hello Mam, hello Mister!“. Kinder waren freundlich und begrüssten einem mit „Hello Joe!“ statt mit einem dummen Spruch. Selbst in einem Mc Donalds (wo wir natürlich nie im Leben hingehen würden ;-) wird man so zuvorkommend behandelt, als sein man der Premierminister höchstpersönlich „Thank you Sir/Mam ...“. Und zwar jeder, vom Bettler bis zum Bischof. Der philippinische Gerechtigkeitssinn geht sogar soweit, dass Pommes frites und Eiskugeln peinlichst genau auf einer Briefwaage gewogen werden, um auch ja niemanden zu übervorteilen.

Die Philippinen waren erstaunlich sauber. Abfall wird getrennt und wiederverwertet und nicht einfach auf die Strasse geschmissen – zumindest in den Dörfern. Wenn man Überland fährt, ist es eine reine Augenweide, zu sehen wie herausgeputzt selbst die einfachsten Hütten sind. Kleine Gärten davor, Blumen in hängenden Kokosnüssen oder bepflanzten Autopneus. Recycling selbst im Schrebergarten. Und auch die Schulen waren ein Musterbeispiel an Sauberkeit und Ordnung. Grosse Gärten und einladende begrünte Pausenplätze, ein richtiges Idyll. Hierzulande oder sagen wir besser, hauptsächlich auf dem Lande, scheint die Gesellschaft noch zu funktionieren. Die Urbanisierung hilft wie überall auf der Welt leider nicht wirklich, gesunde Strukturen, soziale Netze, intakte Familien und, wenn auch einfache aber zumindest gute Lebensbedingungen beizubehalten.

Als einziges Land in Asien sind die Philippinen vorwiegend katholisch. Ob die Geburtenrate deswegen die höchste der ganzen Region ist? Obwohl, da scheint sich ja der Klerus selbst im Vatikan endlich zusammenzuraufen und Kondome wenigstens nicht mehr ganz so offiziell zu verbieten. Auch wenn wegen Aids und nicht wegen verbotener Geburtenkontrolle. Aber wieso nicht zwei Fliegen auf einen Schlag? Müssen wir ja dem Benedikt nicht unter die Nase reiben ... Familienplanung hin oder her – die philippinische Gesellschaft ist nach wie vor sehr geprägt von ihrem spanischen (=katholischen) Erbe. Hier haben die Bischöfe und Priester oft mehr zu sagen als Politiker und Lehrer. Das Basketballfeld ist der Vorplatz der Kirche (und darf auch benutzt werden), Lautsprecher- stehen direkt neben den Glockentürmen, die Toten werden in mehrstöckigen Grabkammern direkt am Strassenrand oder im Dorf aufbewahrt. Die Kirche ist integraler Bestandteil des Lebens. Statt des Schwimmwestendrills wird gebetet, wenn eine Fähre den Hafen verlässt – was angesichts der teilweise desolaten Zustände, in welchen sie die schwimmenden Wracks befinden, selbst für Möchtegerne-Atheisten keine schlechte Idee. In Supermärkten erklingen um sechs Uhr abends keine Sonderangebote, sondern Gebete aus den Lautsprechern und Konsumenten, sowie Angestellte stehen für ein paar Minuten still. Tja das, liebe Leser, sind Sitten, wie wir sie uns höchstens in diesen totalitären muslimischen Ländern vorstellen wollen. Oder etwa nicht?

Besuch aus der Schweiz

Und dann war es endlich soweit. Hinter einer Zeitung versteckt beobachteten wir, wie unsere Freunde aus der Schweiz nach ihrem langen Flug verschlafen durch die Ankunftshalle schlichen. Endlich durften wir Gerda und Sven wiedereinmal persönlich in die Arme schliessen. Immer nur Skypen ist halt einfach doch etwas zu virtuell ... In den folgenden drei Wochen genossen wir die Gastfreundschaft der Philippinen zu viert. Unser Tandem hatten wir bereits in Manila deponiert – jetzt war ein anderer Rhythmus angesagt! Also nicht, was das Reisen an sich anbelangt, sondern bloss die Art des Transports. Denn rückblickend müssen wir sagen, dass wir es sehr gemütlich nahmen – und das war gut so. So blieb uns, statt unser Programm mit Sehenswürdigkeiten-Abklappern vollzustopfen, viel Zeit, um zu plaudern und uns genüsslich all den Klatsch und Tratsch von zu Hause anzuhören. Manchmal konnten wir auch was beisteuern, denn noch sind nicht alle Informationsquellen aus der Schweiz versiegt, auch wenn es mittlerweile doch recht ruhig geworden ist. Aber das beruht wohl auf Gegenseitigkeit.

Es war einfach nur schön mit unseren Seelenverwandten die Zeit zu verbringen. Und es tat sehr gut! Anfangs mussten wir unseren Besuch zwar noch mit dem Tauchlehrer teilen, denn wir konnten sie endlich dazu überreden, ihr Tauchbrevet zu machen. Nur leider zogen sich dreiviertel unseres Quartetts eine Ohrenentzündung rein, sodass die gemeinsamen Tauchgänge meist ins Wasser fielen. Oder besser gesagt eben gerade nicht. Wir schafften es aber doch noch einmal, aber irgendwie hatten wir fast ein bisschen ein schlechtes Gewissen. Denn, erst überreden wir unsere Kumpels, sich die Welt einmal zwanzig Meter unter dem Meeresspiegel anzusehen und dann war das Tauchen in den Philippinen gar nicht mal so toll, wie wir zuvor von aller Welt zu hören kriegten. Jedenfalls hatten wir uns etwas mehr versprochen von der Inselgruppe am Rande des Südchinesischen Meeres. Vielleicht sind wir aber auch einfach ein bisschen verwöhnt diesbezüglich. Und überhaupt, das trübe Wasser liess kein Wässerchen unserer guten Stimmung trüben. Denn schliesslich machen die Philippinen das, was sie unter Wasser vielleicht nicht (mehr) zu bieten haben, mit dem was sie darüber haben, mehr als wett: die Menschen, die Fröhlichkeit, Höflichkeit und die lockere gute Lebenseinstellung der Einwohner, die sich auf den Besucher überträgt.

Ganz in diesem Sinne passten wir uns dem Inselvolk an und hielten uns an das Nationalgetränk. Nicht San Miguel, – das natürlich auch, sondern Rum & Coke. Kein Sonnenuntergang (und davon gab es viele) verging, ohne dass wir uns zu viert an den Strand setzten, einen Tanduay entkorkten und den Abend mit einem Farbenschauspiel in allen Rottönen (der Himmel, nicht die Bäuche) einläuteten.

Die „Resorts“ in den Philippinen sind meist sehr familiär, sprich klein und einfach. Ein paar wenige Bungalows direkt am Meer, eine Bar oder ein kleines Restaurant und viel Blick auf das weite Meer. Da besetzt man zu viert schnell einmal ein Drittel der Betten und wir mussten etwas machen, was wir sonst nie tun: im Voraus Unterkünfte reservieren! War zwar teilweise etwas mühsam, da nichts so unzuverlässig ist wie Telefonnummern auf Homepages oder in Reiseführern, ersparte uns aber böse Überraschungen wegen voll.

Obwohl Gerda und Sven ebenfalls begeisterte Radler sind, lernten wir etwas Neues von ihnen: Eine Insel mit dem Moped zu erkunden ist ganz schön cool. Und da gelangt man an Orte, an welche man mit dem Velo nie und nimmer einfach so zum Spass hinfahren würde. Trotz ihrer bescheidenen vier Gänge ist die Honda Dream recht bergtauglich ... Und wenn man sogar Oben-ohne (Helm wie T-Shirt) rumsausen kann, kriegt man sogar mit hundert Kubikzentimeter ein Easy-Rider-Feeling. Das merken wir uns für die Zukunft ;-)

Viel zu schnell ging die Zeit vorbei und wir mussten uns von unseren lieben Freunden verabschieden. Es war eine geniale Zeit, wie immer, wenn wir zu viert unterwegs sind.

Abhängen

Nicht, dass wir jetzt völlig ausgelaugt gewesen wären, aber im Takatuka war's einfach zu schön, um unsererseits bereits abzureisen. Denn hier war Philippinen pur: ein nur mit dem Boot erreichbarer Palmenstrand, es war ruhig, keine Jetskis (Dudenübersetzung: „sitzend od. stehend zu fahrendes, mit einer Lenkstange versehenes motorisiertes Einmannwasserfahrzeug“ oder „Markenname für das Kawasaki Schwerindustrie persönliche Wasserfahrzeug“ - es tönt doch einfach alles ein bisschen besser auf Deutsch ;-), das Resort ein Schweizerisch-Deutsch-Philippinischer Joint-Venture, das Essen vom feinsten (da CH-D-Teil des Gemeinschaftsunternehmens) und der Service herzlich (das war der philippinische Beitrag).

Es war überhaupt erstaunlich, wie viele Anlagen von Schweizerisch-Philippinischen Paaren geleitet wurden. Und wie viele Europäisch(Mann)-Philippinische(Frau) Paare hier Urlaub machten. Und damit meinen wir jetzt nicht die Sextouristen, von denen es natürlich auch etliche gab und die oftmals gelinde gesagt traurige, wenn nicht groteske Paarungen hervorbrachen: alter, hässlicher, fetter, lauter, bierseliger Schwabbelbauch am grapschen mit hübscher zierlicher junger Filipina. Der einen wirtschaftliche Not ist des anderen (möchten uns lieber gar nicht erst vorstellen wasfürwelche) Freud. Aber daneben gab es, wie gesagt, viele gemischte Ehepaare, Familien, die ihre Ferien im Heimatland der Gattin verbringen. Und irgendwie stellen wir es uns schon sehr schwer vor, wenn die Frauen, aufgewachsen im Paradies, wo das Leben auf der Strasse, respektive draussen vor der Hütte im grossen Familienkreis stattfindet, wo gelacht wird, wo der Puls des Lebens langsamer geht, die Leute weniger haben und doch glücklicher scheinen, wenn diese Frauen zurück müssen in den grauen europäischen Winter, wo sich das Leben oft einsam hinter vier Wänden abspielt, wo jeder sich selbst der beste (und manchmal einzige) Freund ist. Wo Fröhlichkeit und Ausgelassenheit manchmal nicht als Tugenden angesehen werden und im Alltag so wenig Platz haben.

Donsol

Schon mal mit einem Hai geschnorchelt? Schon mal einen fast acht Meter langen Fisch aus nächster Nähe gesehen? Wir schon. Und zwar so nahe, dass man ihn hätte berühren können. Ein absolut unvergessliches Erlebnis! Der Walhai, dieses friedliche Monster mit dem riesigen Maul. Zum Glück Planktonfresser und zahnlos. Sonst wären wir wohl nicht so ohne Weiteres auf Kommando vom Boot gesprungen und neben den Riesen hergeschwommen. Bei der ersten Tuchfühlung ist der Puls schon ein bisschen in die Höhe geschnellt, als wir unseren Führer fragten „wo ist er?“ - „direkt unter dir!“, den Kopf unter Wasser streckten und dem Tier direkt in die Augen sahen. Respektive in seinen beachtlichen Schlund. Von da an aber geniessen pur. Unsere Walsichter leisteten gute Arbeit und wir konnten an zwei Vormittagen ein Dutzend mal ins Wasser springen und jeweils bis zu zehn Minuten neben, über, hinter und vor den Riesenfischen schwimmen. Ja, man musste manchmal den Bauch einziehen, um nicht die Rücken oder Schwanzflosse zu streifen. Und man musste sich richtig zusammennehmen, dass man sich nicht daran klammerte und sich durch den Ozean ziehen liess. War leider von diesen WWF-Heinis verboten ...

Manila und tschüss

Nach diesem letzten Highlight flogen wir unsere Enddestination in den Philippinen an und somit schloss sich unsere Rundreise durch das Inselparadies im Pazifik. Wir stürzten uns noch ein paar Tage mitten ins chaotische Getümmel, sprich Manila, packten unseren Krempel zusammen und flogen „zurück“ nach Thailand.



17.11.11 Geraldton, Australien

Westaustralien - das ist Natur pur. Und zwar in scheinbar endlosen Dimensionen sogar! Nicht nur ...
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"Toleranz ist die Tugend eines Menschen ohne Vorurteile."

G.K. Chesterton



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