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TurkmenistanFünf Tage Transit

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8. Juli 2009 - 12. Juli 2009
Reisetag Nr. 1144 - 1148

In fünf Stichworten

Nach diesem Hin und Her mit dem Visum, dem Vor- und Zurückverschieben der Daten und den endlosen Gängen zu Turkmenistans Aussenposten in den Emiraten und Iran hat es am Schluss doch noch geklappt. Wir hatten die Idee, per Rad Turkmenistan zu durchqueren, zeitweise bereits abgeschrieben, vor allem, nachdem unser erste Visa-Antrag abgelehnt worden war und wir viele frustrierte Reisende trafen, denen das selbe passierte. Jetzt standen wir aber mit einem gültigen Fünftages-Transitvisum an der Grenzkontrolle. Die überdimensionalen Mützen haben die zahlreich vorhandenen Funktionäre wohl noch aus dem guten alten Sowjet-Fundus – und auch die Bürokratie. Wir wurden von Schalter zu Schalter weitergereicht, wo unsere Pässe und Einreiseformulare, Zolldeklaration und weiss der Kuckuck was von unzähligen eifrigen und weniger eifrigen Mitarbeitern des Beamtenstabes durchgeblättert, kontrolliert und gestempelt wurden. All unser Gepäck wurde durch den Scanner geschleust und – wie immer aus purer Neugier – unsere Lenkertaschen mit all ihrem Krimskrams penibel untersucht. Es ging zäh fliessend voran aber angenehmerweise waren wir die Einzigen zugegen und hatten die ganze Mannschaft für uns alleine und nach einer guten Stunde den turkmenischen Einreisestempel im Pass.

Da auch die Ausreise aus Iran nicht besonders speditiv vonstatten ging, war es inzwischen bereits Mittag geworden und wir gönnten uns als Erstes ein kühles Cola in einem Kafe, bevor wir uns auf den Weg machten. Fünf Tage für fünfhundertfünfzig Kilometer bei fünfzig Grad im Schatten (witzig – wo soll es hier schattig sein?), in konstantem Gegenwind – noch nicht sicher, ob wir das schaffen würden. Da konnte man jede Energiezufuhr an einem vergleichsweise kühlen und windgeschützten Ort gebrauchen, sagten wir uns.

Zielsicher stemmten wir uns anschliessend in den Gegenwind und fuhren auf holpriger Strasse, Asphalt zwar, aber in desolatem Zustand, in nördlicher Richtung. Was wir zu dem Zeitpunkt noch nicht wussten, und was sich erst am nächsten Tag herausstellen sollte, war, dass es zwei Strassen hatte, die von hier aus in nördlicher Richtung führten! Murphy schlug zu und da Brö Patrizias Bedenken betreffend der Abzweigung in den Gegenwind schlug, wählten wir natürlich die falsche Route. Wir realisierten unser Malheur tatsächlich erst nach gut hundertfünfzig Kilometern und eher per Zufall, als uns jemand etwas verwirrt ansah, als wir ihm unsere Destination mitteilten. Bei der nächsten ähnlichen Reaktion kam es uns dann schon langsam etwas suspekt vor und wir konsultierten mal vorsichtshalber die Karte und das GPS. Ups – wir waren Richtung Aschgabat unterwegs und nicht nach Mary. Ihr könnt euch jetzt mal das klitzekleine Argument ausmalen, das entbrannte ;-) … Dieser kleine Umweg, auch wenn er zugegebenermassen landschaftlich recht schön und abwechslungsreich war, war natürlich nicht ganz optimal für unseren eh schon recht knappen Zeitplan und die einzige Alternative, die Grenze noch vor Ablauf des Visums zu erreichen, war, ein Stück per Anhalter zu überbrücken.

Als wir tags darauf in der Fahrerkabine sassen, realisierten wir, dass der brüchige und löchrige Strassenbelag den Lastwagen noch mehr zu schaffen machte, als unserem Velo und wir fürchteten, dass unser Tandem, das auf einem Berg von Traktorenreifen, die der Kipper geladen hatte, runterhüpfen würde. Nach einem Mittagessen – offeriert von den Chauffeuren – setzten wir unsere Reise am südlichen Rand der Karakum Wüste fort. Es war zwar super-heiss und staubig und der Wind blies uns nach wie vor direkt ins Gesicht, aber ansonsten war es herrlich zum Radeln. Die Strasse schnitt sich durch die mit einzelnen Büschen bewachsenen Sanddünen und um der Monotonie des Strampelns entgegenzuwirken ging es stetig leicht auf und ab. In angemessenem Abstand, etwa alle fünfzig Kilometer, tauchte ein Kafe auf, wo wir uns – je nach Tageszeit – verköstigten, aber sicher immer was Kühles tranken. Das Essen hier lag zwar so schwer auf dem Magen (Hauptzutat: Schafsfett), dass man sich eine ausgiebige Siesta auf dem Diwan gönnen musste aber praktischerweise war die kleinste Einheit der Süssgetränke anderthalb Liter, sodass das Coca Cola den Magen bei seinem Kraftakt, die Fette zu zersetzen, in genügendem Masse unterstützen konnte.

Die Turkmenen, vom Zöllner bis zum Bauern, von den Kids bis zum Opa waren durchs Band weg freundlich, bisweilen richtig herzlich. Und was das Beste war: Die Frauen zeigten ihre Schönheit. Nach dem ganzen schwarzen Tschador-Einerlei in Iran war es eine richtige Wonne, die Mädchen und Frauen in ihren langen, figurbetonenden und farbigen Kleidern zu sehen. Vor allem, wenn sie einem mit strahlenden Goldzähnen anlächelten. Zahnärzte scheinen in Turkmenistan eher der Goldschmiede-Gilde zu entstammen … Kaum ein Gebiss über dreissig Jahre in dem es an Edelmetall mangelt.

Vielleicht ist dies ein Vermächtnis sowjetischer Zahnreparaturtechnik oder widerspiegelt das etwa des Ex-Präsidenten Vorliebe für Gold? Nachdem die Russen 1991 abgezogen sind und die Staaten Zentralasiens in ihre Unabhängigkeit entlassen wurden, füllten überall kleine und meist nicht gerade zimperliche Diktatoren das Machtvacuum. Im Falle von Turkmenistan wurde das Land vom selbst ernannten „Turkmenbaschi“ („Vater der Turkmenen“) Nyazov mit eiserner Hand regiert. Der liess Hunderte von Goldstatuen seiner selbst aufstellen und hatte sonst noch so einiges auf dem Kasten, um seinen Personenkult zu schüren. Unter anderem, alle anderen Parteien, denn seiner eigenen (und alle Andersdenkenden wohl auch) zu verbieten, das Foltern und Verschwindenlassen von politischen Gegnern und Dissidenten oder die komplette Kontrolle der Medien. Turkmenistan belegt in Sachen freie Presse den zweitletzten Platz, knapp vor Nordkorea. Dagegen ist der Iran schon richtig demokratisch! Und da fragt man sich manchmal schon ein bisschen, wieso in den westlichen ach so liberalen und politisch korrekten Medien bloss gewisse Länder an den Pranger gestellt werden, wieso hier und dort und nicht da interveniert wird von der „Weltpolizei“, wieso sich Freidenker und Politiker so empören können in einer Ecke der Welt und in der anderen Ecke häuft sich der Dreck, ohne dass sich jemand darum schert. Vielleicht ist es halt einträglicher sich ebendort zu engagieren und einfacher, andernorts wegzuschauen. Die weltpolitische Agenda, die verstehen wir nicht. Wenn uns das mal jemand in einfachen Worten erklären könnte, da würden wir schon das eine oder andere Bier springen lassen …

Nichtsdestotrotz, „Turkmenbaschi“ ist Geschichte, sein Nachfolger zwar auch nicht viel besser, aber die Leute hier haben vermutlich andere Sorgen, als sich um Politik zu kümmern – wohl im Wissen, dass es sowieso nichts nützt und besser ist, man exponiert sich nicht. Wir auf jeden Fall erlebten in Turkmenistan ein paar schöne, wenn auch anstrengende – und lange – Radeltage, herrliche Nächte hinter Sanddünen (mal abgesehen vom Tandem-Schieben dorthin…) und wir werden die netten Bekanntschaften nicht so schnell vergessen. Auch wenn diese wegen der Einsamkeit der Gegend relativ rar waren. Ein Land im Eilverfahren.



17.11.11 Geraldton, Australien

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